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07. Sep. 2020
Autor(in): Master School Drehbuch

CHRISTIAN EISERT

In seiner Magisterarbeit analysierte Christian Eisert die Harald-Schmidt-Show, dann schrieb er acht Jahre lang Punchlines dafür. Über seine Reisen durch Nordkorea und die Schweiz verfasste er die SPIEGEL-Bestseller Kim und Struppi und Viele Ziegen und kein Peter. Mit den Ratgeber-Parodien Finde deine innere Ente und Entlich glücklich wurde er Autor für Disney. Christian Eisert ist ausgebildet als Lach-Yoga-Leiter und arbeitet als Comedy-Coach. Seit mehr als zehn Jahren unterrichtet er alles rund um das komische Schreiben an der Master School Drehbuch.

Erzähl uns, wie Du zum Schreiben und zur Komik gekommen bist?

Meine Geburt 1976 war natürlich die Grundvoraussetzung. Ohne wäre es viel schwieriger geworden. Auffällig ist, dass ich mein Handwerk durch zwei Dinge lernte: Soviel wie möglich schreiben und immer wieder Weiterbildung. So ging ich von meinem 8. bis zum 20. Lebensjahr jede Woche in die AG Schreibende Schüler, wo wir über unsere Texte diskutierten und wo ich lernte, dass ein fertiggestellter Text zunächst nur eine 1. Fassung ist und besser werden kann und muss. Mein erstes Werklein schrieb ich Sommer 1983 vor meiner Einschulung, ein heiterer Tierkrimi. Meine erste humorvolle Geschichte, "Trabbi Trotzig", 1988. Die gewann gleich einen DDR-Schreibpreis. 1997 produzierte ich erste TV-Beiträge und veröffentlichte mein erstes Buch im Selfpublishing, 2003-05 Ausbildung zum Drehbuchautor + Comedy-Seminare, 2004 Gag-Autor für Kaya Yanar, 2006 Autor für Harald Schmidt + Dozent für Comedy schreiben, 2010 erstes Buch in Publikumsverlag ("Tacho-Man"), 2014 auf der SPIEGEL-Bestsellerliste + Deutscher Fernsehpreis ("Shopping Queen"). Seit 2015 schreibe ich auch Drehbücher für Löwenzahn und Löwenzähnchen. Hier erzählen wir ja oft etwas über Tiere, wofür ich gern die Form des heiteren Krimis nutze. So schließt sich dieser Kreis.

Wie würdest Du Deinen Humor beschreiben?

Mit Komik zu erzählen mag ich vor allem, weil sich damit jedes Thema interessant erzählen lässt. Was meinen Humor betrifft, muss man unterscheiden zwischen meinem privaten Humor und dem, den ich professionell bediene. Privat lache ich über Situationskomik, Sprachwitz, Hintergründigkeiten. Professionell sollte ich jede Humorform bedienen können. Hier bin ich gelegentlich mit der gern angenommenen Herausforderung konfrontiert, Humor zu schreiben, den ich privat gar nicht mag. Wird dann trotzdem meist lustig. Da bin ich dem Chirurgen ähnlich, der ja auch dem Mafioso vernünftig den Blinddarm entfernt.

Hat sich das Verständnis von Komik in den letzten Jahren verändert?

Ja. Zum einen ist deutsche Comedy in Teilen sehr viel politischer geworden. Übernimmt also Aufgaben des politischen Kabaretts, aber mit größerer Breitenwirkung. Zum anderen scheint heute viel weniger erlaubt als noch vor 10 Jahren. Oder anders gesagt: Es gibt durch die sozialen Medien viel schneller und heftiger Gegenwind. In einigen Fällen kann man das gut finden. In zu vielen Fällen bedroht es die künstlerische Freiheit und den Nachtschlaf.

Du bist seit über zehn Jahren Dozent, auch an der Master School Drehbuch.  Was zeichnet die Schule aus?

Um Schreiben zu lernen, und das kann und muss man, sollte man viel und vieles schreiben. Dazu braucht es eigentlich keine Schule. Nur Zeit. Viel Zeit. Manche sind dann schon tot, bevor sie gut sind. An der Master School Drehbuch wird gut strukturiert Drehbuchschreiben gelehrt. Das ist im Hinblick auf eine erfolgreiche Karriere, enorm zeitsparend. Zudem geben erfahrene Dozenten und Dozentinnen sowie regelmäßig eingeladene Gäste Branchen-Einblicke, die man sich sonst mühsam erarbeiten müsste. Auch die Kontakte zu anderen Schreibenden sind für die eigene Zukunft nicht zu unterschätzen. Meine ersten verkauften Serienkonzepte entwickelte ich zusammen mit Kommilitoninnen eines Comedy-Seminares.

Auf welche Haltung legst Du als Komik-Dozent besonderen Wert?

Dozenten sind immer dann am überzeugendsten, wenn sie leben, was sie unterrichten. Ein Krimi-Dozent ist doch nur glaubwürdig, wenn er mindestens zwei, drei Menschen vergiftet hat! Oder wenigstens eine Fliege erschlagen. Nein, tatsächlich gibt es Menschen, die fantastische Lehrmeister sind, obwohl sie nur ein halbes Drehbuch im Leben geschafft haben. Und es gibt zum Niederknien schreibende Autorinnen, die nicht in der Lage sind, anderen zu erklären, wie sie das machen. Ich versuche, beide Extreme zu kombinieren. Mit Schwerpunkt auf die jeweils erste Hälfte der Sätze.

Hast Du einen ultimativen Tipp für unsere Absolvent/innen auf der Suche nach ihrem eigenen Stil?

Nicht suchen. Finden lassen. Heißt: viel ausprobieren. Schreiben ist Training. Ich nutze für mein tägliches Workout Instagram. Viele, die noch am Karriereanfang stehen, machen den Fehler, unbedingt anders sein zu wollen. Wer viel schreibt, entwickelt im Laufe der Jahre einen eigenen Stil und wer ihn immer schon hatte, verliert ihn nicht, sondern wird immer besser.

 

HENDRIK QUAST

Hendrik Quast studierte Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen. 2017 war er Teilnehmer der Ausbildung zum Autor für Film & TV und bis Ende 2019 Redakteur der UFA SHOW & FACTUAL. Hendrik Quast ist Theaterautor, Hörspielautor und -Regisseur. In Soloarbeiten und gemeinsam mit Maika Knoblich gestaltet er seit 2009 Performances und Happenings. Darin wird das Alltägliche, Banale und Nebensächliche in grotesk-komischen Welten theatralisiert, so zuletzt z.B. die Performance DANCER WITH CANCER, die im Rahmen eines digitalen Pantomimetrainings die diskriminierende Sprache über Krebskrankheiten seziert. 

Erzähl uns, wie Deine Liebe zu Performances und Happenings entstanden ist? 

Es gab einem Moment als ich im Theater saß und einfach nicht mehr zuhören konnte. Ich war genervt davon, was gesagt wurde und vor allem wie es gesagt wurde. Da habe ich angefangen Dinge zu Protagonisten zu erheben, die erst mal stumm sind: Schnittblumen oder Futtermäuse aus der Reptilienfutterabteilung. Ich habe z.B. mal mit den Berliner Forsten eine kranke Eiche im Grunewald geschlagen und sie in einem 6-stündigen Happening wieder aufbauen lassen. Die Aufmerksamkeitsökonomien und auch die Denkräume, die dabei entstehen sind ganz andere als in klassischen Dramaturgien. Ich nenne sie daher materialspezifische Dramaturgien, weil sie vom Ding ausgehen und die Materialität dieser stummen Protagonisten und ihre Handhabe das Format bestimmen.

Wie würdest Du Deinen Humor beschreiben?

Meistens nenne ich das, was ich humoristisch bewirken will „grotesk“. Dieses Lachen, das im Halse stecken bleiben darf, beschreibt am ehesten, wie ich die Zuschauenden aus ihrer Komfortzone kicken will. Lachen ist ja an sich ein sehr körperlicher Zustand. Am grotesken Lachen interessieren mich die Kippmomente, wenn Spaß in Ernst umschlägt. Aber ich bin kein Fan von einfachen Wahrheiten. Wichtig ist mir, dass auch andersherum Ernst in Lachen umschlagen kann. Dieses „umgekehrte“ groteske Lachen müssen wir aber gesellschaftlich noch trainieren.

Hat sich das Verständnis von Komik in den letzten Jahren verändert?

Ja, es hat sich auf jeden Fall verändert, wer über was lachen darf bzw. auch wer wen zum Gegenstand von Komik machen darf. Die identitätspolitischen Kämpfe verschiedener Communities haben bewirkt, dass Humor diverser geworden ist. Die Awareness von Humorgrenzen ist ein großer Gewinn. Sie schützt in der Unterhaltungsindustrie vor Exklusionen und Diskriminierung. Aber dennoch müssen wir aufpassen, dass dadurch nicht auch neue Humorpolitiken entstehen, die eine Einheitslache herstellen und am Ende nur langweilen. Humor hat eine entgrenzende Kraft und wirkt bestenfalls demaskierend und destabilisierend. Wie sich aber die zukünftigen Humorfarben zur neuen Gesellschaftsbildern verhalten, müssen auch wir als Autoren uns zur Aufgabe machen!

Was hast Du in der Ausbildung an der Master School Drehbuch dazu gelernt? Wovon warst Du trotzdem überrascht?

In dieser postdramatische Denkweise, in der ich mich in der Kunst bewege, war die Master School Drehbuch persönlich ein unglaublicher Reality Check. Ich komme aus der Working Class und vom platten Land. Groß geworden bin ich vorm Fernseher, nicht mit Theater, Film oder Kunst. In der MSD sind mir die erzählerischen Konventionen von kommerziellen Formaten noch mal viel stärker bewusst geworden. Aber auch die Blase des Innovativen und Neuen, wie der „Gießener Schule“ aus der ich komme.

Auf welche Haltung legst Du bei Deinen Aufführungen besonderen Wert?

Mir ist es wichtig, dass auch der komfortabelste Theaterstuhl unbequem wird. Mir ist es ebenso wichtig, die Zuschauenden nie zu unterschätzen und sie gleichzeitig immer herauszufordern. Das wünsche ich mir auch für die Zukunft des fiktionalen Erzählens in Deutschland, auch im TV. Hier habe ich immer den Eindruck, dass man dem Zuschauer gar nichts zutraut und erst mal davon ausgeht, dass er etwas nicht verstehen könnte. Dadurch entsteht eine Redundanz von Handlung und Wort, die mir oft zu holzhammermäßig ist. Wer imaginiert dort eigentlich welche Zielgruppen? Wer gestaltet diese Bewertungslandschaft, wir Autoren, die Produzenten oder Sendeanstalten? Ich wünsche mir, dass sich nicht nur das „Was“, sondern auch das „Wie“ wir erzählen am Ende dieses Jahrzehnts geändert haben wird.

Hast Du einen ultimativen Tipp für unsere Absolvent/innen auf der Suche nach ihrem eigenen Stil?

Ich bin ein realistischer Idealist: Ohne Netzwerk geht gar nichts. Aber wichtig ist auch, die Zuschauenden in jedem Moment ernst zu nehmen und als Autor darauf zu vertrauen, welche Geschichten, Figuren oder Erzählweisen einen selbst interessieren. Und was ich auch immer wieder von Schlingensief gelernt habe, keine Angst davor haben, sich zu nehmen, was schon gedacht wurde. Es kommt nur darauf an, wie man es neu anordnet!



Quelle: http://www.masterschool.de/unternehmen/interviews/2020-09-07/dozentinnen-und-absolventinnen-stellen-sich-vor
 
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