Dozent/innen und Absolvent/innen stellen sich vor.

Autor(in): 
Master School Drehbuch

Angesichts unseres 25jährigen Jubiläums finden Sie hier jetzt desöfteren zwei kurze Interviews: Dozent/innen und Absolvent/innen stellen sich vor. Den Auftakt machen unser Gründervater Oliver Schütte und der Drehbuchautor Andreas Cordes.

 
OLIVER SCHÜTTE

arbeitet seit 1987 als Drehbuchautor und seit 1991 als Dramaturg. Die Master School Drehbuch gründete er 1995 und leitete sie bis 2008. Seine Bücher Die Kunst des Drehbuchlesens und Schau mir in die Augen, Kleines sind in mehreren Auflagen und Überarbeitungen erschienen. Letztes Jahr veröffentlichte er Die Netflix-Revolution. Oliver Schütte lebt in Berlin und zeitweise in San Francisco.

Du arbeitest als Autor, Dramaturg, Publizist und Dozent.
Erzähl uns von Deinem Weg in die Stoffentwicklung. War das eher eine Heldenreise, ein knackiger Kurzfilm mit Pointe oder befindest Du Dich nach wie vor mitten in einem Epos?

Woody Allen (dessen Autobiografie ich gerade lese) würde sagen, es ist eher das Dschungelcamp. Wie heißt es bei Wikipedia: Verschiedene B-Prominente ziehen in den Dschungel und buhlen um die Gunst des Zuschauers. Sie müssen diverse Prüfungen bestehen und gehen dabei an ihre Grenzen. Der Zuschauer entscheidet, wer am Ende `Dschungelkönig' wird.

Wie hat sich die Stoffentwicklung Deiner Meinung nach in den letzten Jahren verändert?

Die Stoffentwicklung heute unterscheidet sich grundlegend von der vor 30 Jahren. Anfang der Neunzigerjahre befanden wir uns in den letzten Ausläufern des Autorenfilms. Der Begriff „Dramaturg*in“ war zumindest in Westdeutschland mehr oder weniger gar nicht bekannt. In den neunziger Jahren hat eine enorme Professionalisierung stattgefunden, und der Bedarf nach Dramaturgie ist in enorm gestiegen. Seitdem ist es mehr oder weniger alltäglich, dass Produktionen mit Dramaturg*innen arbeiten. In den letzten Jahren hat sich natürlich durch die sehr unterschiedlichen Formate, die inzwischen produziert werden (vom Einzelstück bis zur lang laufenden horizontalen Serie), das Spektrum der Aufgaben stark erweitert.

Mit welchen Themen beschäftigst Du Dich zurzeit bevorzugt?

Mit der Revolution, in der wir uns derzeit befinden. Wir leben gegenwärtig nicht nur in der Verwertung, sondern auch inhaltlich in einer Zeit des Umbruchs. Plötzlich entwickeln wir für die neuen Streamingplattformen Geschichten von 10 Stunden oder sogar länger, wir schreiben Figuren, die komplex und differenziert sind und wir versetzen uns in Welten, die wir noch nie vorher betreten haben.  In diesen Phasen gilt es sehr aufmerksam zu sein, nicht an alten Mustern zu hängen, sondern nach vorne gewandt zu denken. Mich beschäftigt, was für Möglichkeiten sich dadurch ergeben.

Mit welchem zentralen Problem siehst Du Dich bei deiner Arbeit oft konfrontiert?

Der in Deutschland vorherrschende Realismuswahn. Hauptsächlich durchs Fernsehen sind uns die Stoffe, die nur mit einem Fuß oder gar nicht in der oft langweiligen Wirklichkeit angesiedelt sind, untersagt worden. Phantastische Elemente dürfen keine Rolle spielen. Terry Gilliam, Tim Burton und Guillermo del Toro wären bei uns verhungert.

Was macht Dir an Deiner Arbeit Freude?

Die Arbeit mit Autor*innen an ihren Stoffen und der Moment, wenn Ideen zum Leben kommen. Wenn Kreativität im Raum herrscht und etwas Neues entsteht.

 
ANDREAS CORDES

arbeitet seit 2010 im Filmgeschäft, 2013 absolvierte er die Ausbildung zu/r Autor/in für Film & TV. 2017 gründete er die Produktionsfirma Lichtspielfarm, die mit BOJE den Drehbuchpreis Schleswig-Holstein gewann. Sein „Buch zum Drehbuch“ Jakob, Tilda und die Kopfpiraten ist 2019 bei Woow Books erschienen. Andreas Cordes wird vertreten von der Agentur Above the line.

Du arbeitest als Drehbuchautor, inzwischen aber auch als Regisseur und Produzent.
Erzähl uns von Deinem Weg in die Stoffentwicklung. War das eher eine Heldenreise, ein knackiger Kurzfilm mit Pointe oder befindest Du Dich nach wie vor mitten in einem Epos?

Am ehesten war das wohl eine Heldenreise. Wichtige Stationen dabei waren meine Zeit bei ITV Studios und natürlich die Ausbildung an der Master School Drehbuch. Aber so richtig endet diese Reise nie, man lernt immer dazu und setzt sich neue Ziele.

Was sind die wichtigsten Dinge, die Du auf diesem Weg gelernt hast?

Ich habe gelernt, dass ich die Weisheit leider nicht mit Löffeln gefressen habe. Sich anzuhören, was andere Menschen von deiner Idee/deinem Exposé/deinem Drehbuch halten, macht nicht immer Spaß, aber Feedback macht das Werk am Ende besser.

Mit welchen Projekten und / oder Themen beschäftigst Du Dich aktuell?

Ich arbeite gerade gemeinsam mit Till Endemann an einer neuen Drehbuchfassung von LUCY IST JETZT GANGSTER, einem Kinofilm, der im Sommer gedreht werden soll – wenn Corona uns lässt. Außerdem beschäftige ich mich zurzeit mit zwei sehr unterschiedlichen Fußball-Stoffen. In einem der Stoffe geht es um jugendliche Spieler mit Profi-Ambitionen, im anderen um Fußball-Ultras. Das sind Welten, mit denen ich bislang null Berührungspunkte hatte. Das finde ich sehr spannend.

Auf welches Hindernis stößt Du bei Deiner Arbeit?

Ich halte mich für einen sehr langsamen Schreiber. Das liegt einerseits an meiner Zwei-Finger-Technik beim Tippen und andererseits daran, dass ich ständig hinterfrage, ob das, was ich zu Papier gebracht habe, auch wirklich gut genug ist. Zweifel sind normal, aber man kann es auch übertreiben. Andererseits: Wenn ich etwas abgebe, auch eine erste Fassung, bin ich damit in der Regel schon sehr zufrieden.

Was ist schön an dieser Arbeit?

Dass ich sie von überall auf der Welt ausüben kann. Das nutze ich selbst allerdings viel zu selten aus, sitze meistens dann doch bei mir zuhause am Schreibtisch. Da ist es auch schön.