Dozent/innen und Absolvent/innen stellen sich vor

Autor(in): 
Master School Drehbuch

BIRGIT WITTEMANN

Birgit Wittemann begann ihre Karriere am Theater als Produktionsdramaturgin und Assistentin, so bei den Salzburger Festspielen und an der Berliner Volksbühne. Parallel studierte sie ab 1992 Theater- und Filmwissenschaft. Bei der Pandora Film arbeitete sie in der Stoffentwicklung und als Produktionsassistentin u.a. bei Emir Kusturicas SCHWARZE KATZE, WEISSER KATER und absolvierte die Schreibschule der IFS. Danach wechselte sie zur Hamburger Kino Kompanie von Hark Bohm und machte sich 2001 als freie Dramaturgin für zahlreiche Sender und Produktionsfirmen selbstständig. Birgit Wittemann unterrichtet nicht nur bei uns, an der MSD, sondern u.a. auch an der Filmakademie Ludwigsburg. Am 14.11. Und 15.11. gibt sie das Seminar Drehbuch Verstehen Intensiv.

Du hast zunächst für Theaterproduktionen gearbeitet. Was unterscheidet die Welt des Theaters von der in Film- und TV? Und was aus Deiner Theaterzeit vermisst Du manchmal?

Am Theater interpretiert man meist häufig gespielte Stücke neu und sucht Literatur und Quellen, die diese Interpretation stützen. Zusätzlich ist man bei den Proben anwesend und begleitet den gesamten Entstehungsprozess des Stücks - das sind vermutlich die größten Unterschiede zur Arbeit beim Film. Diese Ganzheitlichkeit und die Unmittelbarkeit des Theaters fehlen mir manchmal. Auch die Arbeit am Programmheft, das Sammeln der Materialen, der Texte und Fotos, die die Interpretation für den Zuschauer verständlicher machen.

Gibt es eine erste Frage, mit der Du an einen Filmstoff oder ein Serienkonzept herantrittst? 

Was möchte der Autor mit seinem Stoff sagen, was ist der Kern der Narration? Und haben der oder die Autor*innen bereits die optimale Form für ihre Idee und ihr Thema gefunden?

Als Dramaturgin beschäftigst Du Dich mit vielen Stoffen gleichzeitig. Was ist Dein Lieblingsprojekt und warum macht Dir das Freude?

Es gibt natürlich immer wieder Projekte, die mir in meiner Arbeit als Lektorin oder Dramaturgin begegnen und die mir besonders auffallen, wie z.B. SYSTEMSPRENGER oder Babylon Berlin, aber ehrlich gesagt lese ich fast jeden Stoff gern. Ich bin dankbar für jede Geschichte, die mich in eine andere Welt eintauchen lässt. Und wenn ich mir bei der Lektüre auch noch den späteren Film lebhaft vorstellen kann, bekomme ich manchmal eine echte Gänsehaut!

Wie hat sich die Stoffentwicklung in den letzten Jahren verändert?

Die größte Veränderung ist sicherlich, dass inzwischen viel mehr Serien entwickelt werden. Und sich auch horizontale Serien am deutschen Markt immer stärker durchsetzen. Das verändert nicht nur die Arbeit am Stoff, der sich nun über einen längeren Erzählzeitraum bewähren muss, sondern auch das Leseaufkommen, aber glücklicherweise war ich schon immer ein Bücherwurm.

Du bist seit vielen Jahren auch in der Lehre aktiv. Auf welche Haltung legst Du als Drehbuch-Dozentin besonderen Wert?

Respekt und Engagement gehören für mich bei jeder Tätigkeit dazu, aber bei den Student*innen ist es mir natürlich auch wichtig, dass sie möglichst großen handwerklichen Input bekommen, mit dem sie arbeiten können. Und dass sie diesen umzusetzen lernen – denn nur dann können sie sich später am Markt bewähren bzw. überhaupt herausfinden, ob das Schreiben wirklich ihre Leidenschaft ist.

Hast Du einen ultimativen Tipp für alle Newcomer zum Einstieg in die Branche?

Viel lesen, viel schreiben, zwischendrin networken - und vor allen Dingen nicht aufgeben!

 

LYNDA BARTNIK

Lynda Bartnik studierte Kulturwissenschaften und Soziologie, bevor sie beim Film als Casterin, Regieassistentin und Setaufnahmeleiterin tätig war. 2013 nahm sie an unserer Ausbildung zum/r Autor/in für Film & TV teil. Nach einem Producer-Volontariat bei der Cinecentrum Berlin stieg sie als Storylinerin bei der ARD-Serie ROTE ROSEN ein, für die sie bis heute arbeitet. Lynda Bartnik ist vielfach auch als Dramaturgin tätig, so zuletzt für die ZDFneo-Serie LIEBE.JETZT! (D 2020, 2. Staffel ab 01.12.20). Außerdem ist sie Autorin und Regisseurin von zahlreichen Kurzspielfilmen wie SCHÖNE AUSSICHT und THE HOSTAGE, der 2016 für den Shocking Shorts Award nominiert wurde. Lynda Bartnik lebt mit ihrer Familie in Bremen.

Wann und wie hast Du Deine Liebe zum Film und insbesondere zur Drehbucharbeit entdeckt?

Meine Liebe zum Film entstand, als ich als Komparsin das erste Mal an einem Set war. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Gewerke und das freundschaftliche Arbeitsklima haben mich so sehr fasziniert, dass ich freiwillig länger vor Ort geblieben bin, nur um zuzusehen. Erst nach diesem Erlebnis habe ich begonnen, Filme anders zu gucken und mich auch mit deren Inhalt und Aufbau zu beschäftigen.
Eine besondere Liebe zu Geschichten habe ich bereits seit meiner Kindheit. Ich lese, höre und schreibe kleine Geschichten und Gedichte bereits seit ich denken kann – wenn auch nicht regelmäßig. Während meiner Tätigkeit am Filmset kam dann immer mehr der Wunsch auf, die Geschichten selbst mitgestalten zu dürfen – wohin genau ich will und was mir liegt, habe ich dann erst bei der Master School Drehbuch herausgefunden.

Du schreibst seit vielen Jahren für ROTE ROSEN. Was ist das Besondere an dieser Arbeit

Als Storylinerin darf ich das tun, was mir bei der Drehbucharbeit am meisten Spaß macht: Plotten. Ich sitze die meiste Zeit in einem Raum mit drei anderen inspirierenden Menschen, die mit mir gemeinsam den Geschichten Leben einhauchen. Bei der Stoffentwicklung wird aus der eigenen Erfahrung erzählt, diskutiert und besonders viel gelacht. Als ich die erste Woche in einem Plotraum hinter mir hatte, war ich mir sicher, dass ich den Beruf gefunden habe, der am Besten zu mir passt. Das man auch in sehr kurzer Zeit sehr viel Schreiben muss, wurde mir erst später klar.

Gleichzeitig bist Du immer wieder auch Filmemacherin für besondere Kurzfilme und in den letzten Jahren vielfach auch Dramaturgin. Was bedeuten diese beiden Perspektiven für Dich?

Als Dramaturgin kann ich meine zweite Leidenschaft neben dem Plotten ausüben: Struktur. Ich habe große Freude daran, analytisch auf Texte zu gucken und ihre strukturellen Stärken und Schwächen einzuordnen. Meine Erfahrungen aus dem Storylining kommen mir dabei auch zugute – und ebenso verhält es sich andersherum.
Die Kurzfilme sind mein Hobby. Mich als Regisseurin auszuprobieren tut mir gut und gibt mir das Gefühl, wild experimentieren und mich weiterentwickeln zu können. Allerdings habe ich seit der Geburt meiner Töchter kaum noch Zeit dazu und konzentriere mich gerade eher auf die beruflichen Projekte.

Inwiefern hat Dir die Ausbildung an der Master School Drehbuch beim Start in die Drehbucharbeit geholfen?

Erst während meiner Ausbildung habe ich verstanden, wie viele unterschiedliche Berufe es gibt, die Teil daran haben, dass ein Drehbuch gelingt. Außerdem konnte ich durch den sehr praktisch gestalteten Unterricht herausfinden, was mir wirklich Spaß macht. Der kurze Ausflug in die Welt der Daily-Drama Serien im Rahmen der Ausbildung hat mich dann dazu gebracht, mich bei den ROTEN ROSEN als Junior-Storyliner zu bewerben.

Wovon warst Du bei Deinem Einstieg in die Branche überrascht?

Ich bin noch immer überrascht davon, wie viele Projekte entwickelt und dann nicht verwirklicht werden. Es ist wirklich schade, dass es viele gute Film- und Serienideen gibt, die in der Schublade von Sendern oder Produktionsfirmen verstauben.

Was würdest Du Neu- und Quereinsteigern beim Umgang mit der Branche raten?

Ich kann allen Einsteigern nur raten, sich Zeit zu geben. Egal welchen (Quer-)Einstieg man wählt, man braucht ungefähr drei Jahre, um Fuß zu fassen. Erst dann sollte man bewerten, ob man gut angekommen und richtig in der Branche ist. Außerdem sollte man sich im Klaren darüber sein, dass es als Drehbuchautor nicht selbstverständlich ist, regelmäßig verfilmt zu werden. Ich kenne viele talentierte Autoren, die zwar von ihrer Arbeit leben, aber bis heute kein einziges verfilmtes Drehbuch vorweisen können. Da bleibt nur eins: hartnäckig bleiben!