Dozent/innen und Absolvent/innen stellen sich vor.

Autor(in): 
Master School Drehbuch

DR. EVA-MARIA FAHMÜLLER

Eva-Maria Fahmüller studierte Neuere Deutsche Literatur und Philosophie, ehe sie im Januar 2000 bei action concept als Dramaturgin begann. 2004 absolvierte sie die Weiterbildung zum Script Consultant an der MSD. 2009 übernahm sie die Schule von Firmengründer Oliver Schütte. Mit Thomas Schrader baute sie die Lehrgänge auf.
Ihr Schwerpunkt als Dramaturgin ist aktuell die Entwicklung von Doku-Serien, Dokudramen und historischen Stoffen. Sie beschäftigt sich mit der „Welt der Geschichte“ als dramaturgischem Konzept (Welt in Serie am 13.06.21). Fahmüller ist Vorsitzende von VeDRA, dem Verband für Film- und Fernsehdramaturgie. Sie lebt und arbeitet in Berlin.

Wann und woran hast Du gemerkt, dass Du vor allem als Dramaturgin arbeiten willst? 

In meinen Anfangsjahren habe ich neben der Arbeit in der Stoffentwicklung von action concept auch für andere Firmen geschrieben. Mit einem meiner ersten Exposés konnte ich einen Treffer landen und einen gut dotierten Drehbuchvertrag bekommen. Ich war mit meiner ganzen Energie dabei. Doch das Feedback meiner Auftraggeber hat mich bei jeder Besprechung immer wieder neu verwirrt.
Ich habe dann viel darüber nachgedacht, welche Art von Beratung mir am meisten geholfen hätte. Das konnte ich auf meine Arbeit als Dramaturgin übertragen. Es macht mich glücklich, wenn ich bei Beratungen einen Funken entzünden kann. Nach und nach habe ich darin meine Aufgabe gefunden und beschlossen, nur noch zu beraten – oder auch zu unterrichten oder über Dramaturgie nachzudenken. 

Was hat sich in den letzten Jahren in Bezug auf Dramaturgie maßgeblich verändert?

Durch die Streamer ist der Markt globaler, sind Vergleich und Wettbewerb größer geworden. Plötzlich ist Geld da. Es wird überall geschrieben und entwickelt. Doch halbgute oder nur wenig zündende Geschichten werden in diesem Wettbewerb verlieren. Und das Kino wird sich nach Corona noch einmal neu beweisen müssen.
Auch in Deutschland verbreitet sich inzwischen ein psychologischerer Blick auf Figuren. Das empfinde ich als enorme Bereicherung für das Erzählen. Was noch fehlt, ist in meinen Augen ein dezidierter Blick auf die „Welt der Geschichte“. Damit meine ich nicht nur das Setting, sondern alles, was der Erzählraum enthält. Zeitgemäße Serien von THE QUEENS GAMBIT bis BEFOREIGNERS schöpfen sehr stark aus ihrer Welt. Wie lässt sich eine „Welt der Geschichte“ aufbauen und dann zu Ende denken oder ausreizen? Ich nenne das – analog zu character- oder plot-driven – world-driven. Diese drei Herangehensweisen greifen im Idealfall mit einer jeweils zum Projekt passenden Gewichtung ineinander. 

Was verbindest Du mit der Master School Drehbuch?

Die MSD ist für mich – hoffentlich auch für viele Teilnehmende und Dozent:innen – ein Stück zuhause geworden. Fast alle, die dort unterwegs sind,  pflegen eine Leidenschaft für Film- und Seriengeschichten, die weit über den Unterricht hinausreicht. Nur deshalb gibt es Offene Abende, unseren Mini-Verlag und dramaturgischen Austausch, manchmal bei dem einen oder anderen Glas Rotwein.
Wichtig ist mir, dass die MSD unabhängig ist. Gemeinsam mit meinem Geschäftspartner Thomas Schrader, genauso mit den Dozent:innen überlegen wir, woran wir selbst Spaß haben, was das Erzählen für Film und Serie in unseren Augen jetzt ist oder was unsere Teilnehmenden brauchen. Dass viele Menschen, Stammkund:innen genauso wie Branchengäste, über Jahre hinweg immer wieder kommen, zeigt, dass wir dabei manchmal richtig liegen.

Welche Schwierigkeiten gibt es aufgrund der Corona-Pandemie an der Master School Drehbuch?

Am 14. März 20 haben wir unsere Seminare und Lehrgänge auf einen Schlag auf online oder hybrid umgestellt. Auf der Sachebene funktioniert das prima. Außerdem haben wir unser eLearning-Programm modernisiert, was richtig schick geworden ist. Zum Teil konnten wir dadurch sogar mehr Interessenten ansprechen als früher.
Doch ich glaube wir vermissen alle die persönliche Begegnung ohne den Bildschirm dazwischen. Es geht etwas verloren.
Es ist schwierig abzuschätzen, wie es im Herbst, aber auch auf Dauer weiter gehen kann: Welche Unterrichts-Formate finden besser wieder vor Ort statt, welche werden durch Online-Elemente ergänzt und welche werden für immer digital bleiben, einfach weil es für unsere Kund:innen so angenehmer ist.  

Was würdest Du Neu- und Quereinsteigern aktuell für den Einstieg in die Branche raten?

Vielleicht hilft der eine oder andere Gedanke: Entwickelt nicht nur eine, sondern viele Geschichten. Lernt nicht nur schreiben, sondern auch plotten. Traut Euch zu recherchieren, nicht nur im Internet. Diskutiert mit anderen möglichst radikal über Eure Stoffe. Lest viele Drehbücher. Schreibt über Themen, die Euch selbst begeistern.

Was wünschst Du Dir für Deine berufliche Zukunft?

An der MSD: Dass ich dort weiterhin auf Menschen mit Kraft und Esprit treffe und ein kluger Austausch stattfindet.
Als Dramaturgin: Viele Projekte mit Inhalten, bei denen ich etwas über die Welt dazu lerne.
Als Nachtarbeiterin: Dass ich endlich die Zeit finde, mein nächstes Buchprojekt über world-driven-Erzählen, also über die „Welt der Geschichte“ als dramaturgisches Prinzip zu beenden.

 

MATTHIAS FRAHM

Matthias Frahm studierte Drehbuch an der Berliner Filmarche und arbeitete anschließend, von 2012 bis 2016 am Funkhaus Halle als Hörfunk-Redakteur. 2016 besuchte er die Weiterbildung zum Dramaturg & Lektor an der MSD und arbeitet seitdem für die Mitteldeutsche Medienförderung, Kinderfilm GmbH, GrownUpfilms, MotionWorks u.a.
Als Drehbuchautor schrieb er gemeinsam mit Paul Markurt und Andreas Strozyk die 26teilige Animationsserie DER BRONZENE HIMMEL, die zurzeit für den Kika realisiert wird. Sie erzählt vom Leben in der Bronzezeit und der Himmelsscheibe von Nebra. Matthias Frahm lebt und arbeitet in Halle.

Wann hast Du Deine Liebe zum Film entdeckt? Und was bedeutete die zwischenzeitliche Arbeit beim Hörfunk für Dich?

Ich war ein klassisches „Fernsehkind“. Ohne Vater aufgewachsen, Mama musste viel arbeiten, also hatte ich jede Menge Freiraum. Wenn morgens „Winnetou“ wiederholt wurde, schwänzte ich die Schule. Das mündete dann in den ersten Kurzgeschichten über Cowboys und Indianer, die merkwürdigerweise aber immer mit dem Fahrrad fuhren. Keine Ahnung, wo das herkam…
Was die Arbeit beim Radio angeht: Nach meinem Drehbuch-Studium brauchte ich ehrlicherweise einfach erstmal einen Job, bis ich plötzlich irgendwann verantwortlicher Redakteur für ganze Sendeschienen war. In der Rückschau habe ich von der Arbeit dort letztlich vor allem das Wissen darüber mitgenommen, wie eine Redaktion überhaupt arbeitet und funktioniert.

Gibt es eine bestimmte Herangehensweise, mit der Du die Entwicklung eines Films oder einer Serie beginnst?  

Es hört sich simpel an, aber ich denke gerne von klein nach groß. Soll heißen: Ich entwickle meine eigenen Ideen und Stoffen sehr oft mit der Überzeugung, dass ein Loch in der Schuhsohle eines Büroangestellten zur Weltrevolution und letztlich zum Frieden auf Erden führen kann. Diese Art des Story-Denkens finde ich immer wieder faszinierend. Es geht für mich also erstmal um das „Was wäre, wenn…“-Prinzip. Das ist im Kern nichts anderes als ein erstes Gedankenexperiment, das im weiteren Verlauf der Entwicklung den jeweils dramaturgischen und erzählerischen Notwendigkeiten angepasst wird – im besten Fall ohne den „Spirit der ersten Idee“ zu verlieren.

Was hat Dir die Weiterbildung an der Master School Drehbuch gebracht?

Um es mal ganz pathetisch zu sagen: Ich wollte nach meiner Zeit beim Radio wieder dorthin, wo mein Herz schlägt. Und abseits von Leuten, die oftmals nicht aus ihrer Hochschul-Bubble herauskommen, mich auch wieder mit Gleichgesinnten umgeben. Die fachliche Auseinandersetzung mit Filmdramaturgie an der Master School Drehbuch hat mich wieder zurückgeführt zu meinen eigentlichen Wurzeln und mich – neben einigen Kontakten, die ich dankenswerter Weise bekommen habe – auch wieder darin bestärkt, mich nicht von meinem Weg abbringen zu lassen. Pathos Ende.

Wie lief die Zusammenarbeit für DER BRONZENE HIMMEL ab? Hatte Ihr eine Art Writers’ Room?

Vorweggeschickt: Die Grund-Idee zum „Bronzenen Himmel“ kam von MotionWorks. Sie hatten schon eine App für Kinder in Zusammenarbeit mit dem Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte entwickelt, die sich mit der Himmelsscheibe von Nebra befasste. Daraus sollte eine Kinderserie werden. Paul Markurt und ich haben die komplette Storywelt um die Geschwister Leva und Mimo erdacht und die 26 Plots dazu als Konzeptpapier entwickelt. Zuletzt kam dann noch Andreas Strozyk dazu – und Paul und ich haben als Headautoren gemeinsam mit Andreas in einer Art Writers’ Room die Drehbucharbeit geleistet. Letztlich ist so eine Bronzezeit-Comedy mit einem sehr schönem Humor entstanden, die auch Anknüpfungspunkte für Kinder von heute bietet. Ach, ja… und die Himmelsscheibe von Nebra spielt natürlich auch eine Rolle.

Was hat sich in den letzten Jahren in Bezug auf Dramaturgie maßgeblich verändert?

Das immer stärker werdende serielle Erzählen hat die Bandbreite für uns erweitert – vor allem, was das Erzählen von ambivalenten Figuren angeht. Die zur Verfügung stehende Erzählzeit spielt hier eine wichtige Rolle, ebenso die Verknüpfung in die digitale Welt. Doch es tut uns hippen Serien-Fans dann auch immer ein bisschen weh, wenn wir merken, dass schon die „Schwarzwaldklinik“ horizontal erzählt wurde. Ich sehe auch noch eine Menge Luft nach oben, was Themen, Genres und Vielfalt betrifft. Ich tue mich daher schwer damit, eine Revolution auszurufen. Als Autoren und Dramaturgen sind wir meiner Meinung nach gut beraten, unseren Mut zum vermeintlich „anderen Erzählen“ zwischen dem Wissen einzurichten, einerseits das Rad nicht neu zu erfinden und andererseits dennoch offen für kreative Lösungen zu sein. Das als Motor zu nutzen und nicht als Hemmschuh – so sehe ich Dramaturgie im Grundsatz.

Was wünschst Du Dir für Deine berufliche Zukunft?

Als Autor UND Dramaturg bin ich ja eine Art Zwitterwesen. Als Autor stehen jetzt ein paar neue spannende Projekte an. Das kann gern so weitergehen. Als Dramaturg hoffe ich, weiterhin anderen AutorInnen dabei helfen zu können, aus ihren oftmals schon guten Drehbüchern dann sehr gute zu machen. Und ich wünsche mir Frieden auf Erden natürlich.