Dozent:innen und Absolvent:innen stellen sich vor

Autor(in): 
Master School Drehbuch

DR. STEFAN RÜLL

Stefan Rüll wuchs in Bayern auf und promovierte in München als Rechtswissenschaftler. Zunächst arbeitete er als Strafverteidiger von Ärzten. 1988 wechselte er in den Medienbereich als Syndikus und Prokurist für die Polyphon-Gruppe, später als Geschäftsführer zur Senator Film Gruppe. 1996 eröffnete er seine Anwalts-Kanzlei in Berlin, spezialisiert auf Film, Fernsehen und Neue Medien. Ein Schwerpunkt sind internationale Koproduktionen und Kooperationen. An der MSD unterrichtet er Urheber- und Vertragsrecht für Drehbuchautor:innen.

Ganz direkt gefragt: Was ist an Rechtsfragen und -streitigkeiten von Medienschaffenden interessant?

An Streitigkeiten ist für mich nichts interessant. „Rechthaben“ allein langweilt schnell. Prozesse dauern, kosten Geld und Nerven. Ich führe keine. Manchmal werde ich zur Konfliktlösung als Mediator eingeschaltet. Ganz schön, wenn am Ende alle zufrieden sind.
Mein Hauptinteresse gilt der Gestaltung, der „Business-Architektur“. Ich baue gern Rechtsräume und Vertragskonstruktionen zur Zusammenarbeit, die dann in der Realität von Personen und Firmen gelebt werden und sich dort bewähren müssen. Meine Freude an der Arbeit kommt aber vor allem von der Vielfalt der Charaktere, mit denen ich jeden Tag umgehe, und die immer die besten Überraschungen bieten. Rechtsthemen wiederholen sich, Persönlichkeiten nicht.

Du bist seit mehr als 30 Jahren im Film-, TV- und jetzt auch Streaming-Geschäft tätig. Wie hat sich die Situation der Kreativen verändert?

Die „Kreativen“ sind ja ein weites Feld. Nehmen wir die Autor:innen. Ihr Arbeitsfeld hat sich mit den Plattformen und dem Seriengeschäft erweitert, neue Arbeitsstrukturen (Writers‘ Room) und Aufgaben (Showrunner) haben sich herausgebildet. Weniger Vorleistung, angemessene Vergütung, Erfolgsbeteiligungen, mehr Erlöstransparenz durch Auskunftsrechte, Exklusivitätsbefristung, gemeinsame Vergütungsregeln sind z.B. wichtige Errungenschaften der letzten Jahre zugunsten der Urheber.

Wegen welcher Themen kommt es regelmäßig zu juristischen Auseinandersetzungen? 

Ich arbeite viel an Kooperationen zwischen Personen und/oder Firmen. Meistens geht es bei Streitigkeiten um Geld, das nicht dann oder nicht in der Höhe kommt, wie es erwartet wird. Oder um Rechtspositionen, die der andere angeblich unberechtigt einfordert oder missachtet. Für mich interessanter als das Streitthema ist immer die Streitursache. Häufig sind es schlicht Kommunikationsmängel, also ungenügende oder unklare Informationen, auch eine mehr „Senden-“ als „Empfangen-“ Haltung, die zu Missverständnissen und dann Eskalation führen, oder mangelnde Wertschätzung für die Person oder die berechtigten Interessen der anderen. Mit der Aufhebung dieser Mängel löst sich häufig auch der Konflikt, oder vermeidet man sie, kommt es gar nicht dazu.

Unsere Teilnehmer:innen finden Deinen Unterricht toll. Wie schaffst Du es, die trockene Rechtskunde anregend zu vermitteln?

Das freut mich zu hören. Für mich ist „Rechtskunde“ spannend. Denn dahinter stehen unzählige bunte Fälle und Lebenssituationen, in die jeder von uns geraten kann. Und dann ist es praktisch, wenn man sich ein bisschen auskennt. Rechtskenntnis und die Neugier darauf schaden also nicht. Vielleicht vermittelt sich das im Unterricht.

Worauf sollten Newcomer-Autor:innen bei ihren ersten Verträgen achten?

Dass sie überhaupt vor Beginn ihrer Tätigkeit einen schriftlichen Vertragsentwurf bekommen, der die Vorschläge zu den Spielregeln enthält, der dann verhandelt und im Falle der Einigung auch unterschrieben wird. Einen Vertrag zu verlangen, ist kein Zeichen von Misstrauen, sondern von Professionalität.
In Bezug auf den Inhalt kann man sich vielleicht Vergleichsverträge anschauen oder Rat bei Leuten holen, die Erfahrung haben. Fehler sind erlaubt. Denn Fehler beim ersten Vertrag macht man (meist), nicht mehr beim zweiten.

Gibt es auch für Dich als Anwalt ein Traumprojekt?

Oh, ich hatte einige! Meist wegen „Traummandanten“. Sie sind hoch professionell und dabei bescheiden, ideenreich, humorvoll, worthaltend, wertschätzend und zahlen meine Rechnungen pünktlich.

 

ANJA SEELA

Anja Seela arbeitete zunächst als ausgebildete Geotechnikerin. 1999 begann sie im Film- und TV-Bereich als Assistentin der Produktion und Herstellungsleitung für diverse Firmen, schließlich arbeitete sie bei der Saxonia Media als Assistentin einer Produzentin. Dabei war sie zunehmend mit der Suche nach Ideen und Stoffen befasst. 2019 absolvierte sie die Ausbildung zum/r Autor:in für Film & TV an der MSD. Seitdem schreibt sie für Krimi-Serien wie SOKO Wismar, aktuell ist sie Autorin bei der WaPo Berlin. Gleichzeitig entwickelt sie eigene Konzepte für Spielfilme, Serien und Kinderfilme.

Erzähl uns, wieso Du von der Geotechnik in den Filmbereich gewechselt bist. Wann und warum wurde dort Dein Interesse am Schreiben geweckt?

Weder meine Ausbildung noch meine weitere Entwicklung hatten ein bestimmtes Ziel. Ich nahm Angebote an, von denen ich dachte, das könnte mich interessieren, das lerne ich schon irgendwie. Und nur dann, wenn ich Vertrauen zu den Leuten hatte. So bin ich auch ins Filmgeschäft durch Zufall geraten. Nach dem ersten Film als Produktionsassistentin, wusste ich, ich kann das jetzt. Und da es nichts Schlimmeres für mich gibt, als mich zu langweilen, wurde diese sehr abwechslungsreiche Branche zu meinem Zuhause. Aber niemals habe ich in Erwägung gezogen, dass Schreiben ein Beruf für mich sein könnte. Erst als ich als Assistentin einer Produzentin arbeitete, kam ich dazu, Stoffe zu lesen und auf ihre Machbarkeit oder ihre Originalität zu bewerten. Ich merkte, dass meine Meinung nicht nur aufgrund meiner produktionstechnischen Perspektive geschätzt wurde. Da begann ich von der inhaltlichen Seite aus zu verstehen, wie viel es braucht, um einen Stoff zu entwickeln. Und ich bekam Lust, eine erste eigene Serien-Idee für den MDR zu entwickeln.

2019 hast Du an der Ausbildung der MSD teilgenommen. Welches Erlebnis hat Dich dort besonders geprägt?

Der theoretische Teil der Ausbildung hat ein solides Fundament gelegt für die anschließende Stoffentwicklung. Aber der wohlwollende, respektvolle und trotzdem kritische Umgang miteinander bei der Stoffentwicklung war für mich entscheidend. Erst durch die gegenseitige Unterstützung und Bereicherung kam jeder immer weiter voran. Das versuche ich beizubehalten. Ich hole mir Feedback und gebe es auch gerne. Ich vernetzte mich immer weiter.

Du warst viele Jahre in Produktionsfirmen tätig. Hilft Dir dieses Wissen jetzt beim Schreiben der Stoffe?

Auf jeden Fall. Ich habe oft Drehpläne nach Drehbüchern erstellt und dann die Kalkulation. Ich weiß immer so ungefähr, was meine Bücher kosten. Manchmal werde ich auch gebeten, mir ein fertiges Drehbuch anzusehen, um Aufwand zu reduzieren, ohne den Figuren und dem Plot zu schaden. Ich habe auch als Autorin die Machbarkeit immer im Blick. Manchmal recherchiere ich sogar die Kosten eines Motivs oder Fahrzeugs. Das ist mir lieber, als wenn mir eine noch so schöne Idee aus Kostengründen gestrichen wird. Ich bin halt gerne realistisch.

Wie verlief Dein Einstieg als Drehbuchautorin: Mit welchen Schwierigkeiten hast Du gerechnet? Was hat Dich trotzdem überrascht?

Mein erstes Projekt in Selbständigkeit 2019 fand Interesse bei einer Münchner Firma. Ich war happy. Aber “Wo ist Herr Müller” sollte eine böse Satire auf unser Gesundheitswesen sein. Alle fanden es gut, bis kurz darauf Corona kam. Damit hatte keiner gerechnet. Es liegt bis heute in der Schublade.

Du schreibst zurzeit viel Krimi. Mit welchem Genre oder Format beschäftigst Du Dich am liebsten und warum?

Krimi war auch wieder Zufall. Ich dachte, das ist gar nicht mein Genre. Schließlich kann ich nicht nachvollziehen, warum Konflikte immer gleich zum Tod eines Beteiligten führen sollen. Ich habe trotzdem einen Pitch abgegeben. Jetzt schreibe ich die Krimis mit Freude, denn neben dem Krimiplot bleibt für mich genügend Raum, dem ganzen Humor, den Figuren Tiefe und den Ermittlern persönliche Haltung zu geben. Das ist es, was mich interessiert.

Wie sähe Dein Traumprojekt aus?

Wie gesagt, ich träume nicht so gerne. Ich lass mich lieber überraschen. Manchmal waren die schlimmsten Drehbücher die tollsten Produktionen. Alles steht und fällt mit dem Team.