Dozent:innen und Absolvent:innen stellen sich vor

Autor(in): 
Master School Drehbuch

PATRICK MERZ

Seit mehr als 25 Jahren ist Patrick Merz leidenschaftlicher Filmemacher. Mit DirectorsCut betreibt er eine eigene Produktionsfirma. Sein Spielfilm BIG EARTH (HOTEL CALIFORNIA II) (CH 2017) wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, mit ADAMSTOWN gewann er den Dieter Baacke Preis 2019. Zumeist entwickelt und produziert Patrick Merz mit internationalen Jugendlichen. Er hat einen Hochschulabschluss als „Soziokultureller Animator“ und war früher über 10 Jahre in der Jugendarbeit tätig. Aktuell arbeitet er an LINGUA AMORIS, ein 8teiliger Episodenfilm, umgesetzt von Teams aus 8 Ländern in 8 Sprachen als Interpretationen desselben Grundplots über die romantische Liebe. Patrick Merz hat inzwischen fünf Mal am DREHBUCH.lab teilgenommen. Er lebt in Zürich und Hamburg.

Viele Deiner Filme entstehen als medienpädagogische Projekte. Worauf kommt es Dir dabei an und was begeistert Dich daran?

Wir haben mit unseren Projekten einen Weg eingeschlagen, um jungen Menschen einen extrem niedrigen Einstieg in die Welt des Filmschaffens zu ermöglichen. Bei uns können junge Menschen direkt vor und hinter der Kamera partizipieren, ob als Kamerafrau/mann, als Tonmeister:in, Licht, Bühne, Schauspiel, was auch immer die Filmbranche zu bieten hat, und das eben mit professionellem Equipment und Profis als Begleitung. Mit anderen Worten: Wir haben einen einmaligen Hybrid erschaffen aus Filmhandwerk und Bildungsarbeit.

Als erfahrener Filmemacher hast Du mehrfach am DREHBUCH.lab teilgenommen. Warum reicht einmal nicht und was bringt Dir das Lab jeweils? 

Das DREHBUCH.lab hat mich von Anfang an begeistert, aber auch herausgefordert. Die Schreibarbeit braucht Übung und das Verinnerlichen der dramaturgischen Denkweise war und ist mir sehr wichtig. Über das DREHBUCH.lab habe ich genau das erreicht. Ich habe das Lab bis heute fünfmal durchlaufen, jedes Mal mit einem neuen Stoff und einem neuen Genre. Die professionelle Begleitung der Dramaturg:innen ist natürlich ein wesentlicher Teil und gerade der etwas geschütztere Rahmen und die stets wohlwollende aber dennoch klar formulierte Kritik an den Stoffen ist eine enorme Bereicherung.
Doch die Auseinandersetzung mit den Stoffen der anderen Teilnehmenden ist das Lehrreichste am Lab. Ich würde beispielsweise nie im Leben einen Stoff fürs Herzkino schreiben, aber das Hineindenken ins Genre und den Stoff eines anderen hat mich gefordert und meinen Horizont erweitert.

Seit vielen Jahren bist Du selbst als Dozent tätig. Auf welche Haltung legst Du beim Unterrichten besonderen Wert? 

In meiner Rolle als Dozent verstehe ich mich vor allem als Sparringpartner der Menschen, mit denen ich arbeite. Gerade im Filmbereich gibt es zwar eine Menge an Theorie, die ich vermitteln kann. Aber die Projekte, Konzepte und Geschichten erfordern jedes Mal eine eigene Herangehensweise. Mit den Studierenden an einem Projekt herumzudenken, gemeinsam Wege und Lösungen zu finden macht enormen Spaß und ich empfinde das für meine eigene Arbeit enorm bereichernd.

Nicht nur als Drehbuchautor, sondern auch als Kameramann, Regisseur, Editor und Produzent: Wie wichtig sind Dir in welcher Phase dramaturgische Überlegungen?

Letztlich spielt die Dramaturgie in jedem dieser Bereiche eine eigene Rolle. Ist es beim Drehbuch der Plot und die Figurenkonstellation, geht es bei der Kameraarbeit mehr darum, die Stimmung der Szene mit Bildern umzusetzen. Nebenbei erwähnt liebe ich das Kino wegen seinem breiten Format. In der Regie ist es dann die Inszenierung – und den Schauspielenden zu vermitteln, was in der Szene sowohl im Moment als auch auf den gesamten Film gesehen dramaturgisch wichtig ist.
Im Schnitt zuletzt entsteht ja erst der eigentliche Film. Der Schnitt gibt mir die Möglichkeit, mit der Dramaturgie noch einmal zu spielen oder aber auch Fehler, und ja die gibt es natürlich immer, auszubügeln.

Mit welchen Schwierigkeiten kämpfst Du bei Deinem aktuellen Projekt und was macht Dir trotzdem Freude?

Ich empfinde für das Filmhandwerk immer auch als eine gewisse Hassliebe. Ich durchlaufe dabei immer wieder Phasen, wo ich denke: “Wieso tust du dir das eigentlich an?“. Und gleichzeitig gibt es keinen besseren Moment in meinem Leben, als wenn ich mitten Im Gewusel eines Filmsets stehe und mit all den Menschen gemeinsam an einem Werk arbeite. Aktuell schreibe ich gerade an der Filmmusik für unseren Film LINGUA AMORIS und das macht mir einen Riesenspaß. Getrübt wird diese Arbeit von der Tatsache, dass Schauspielende aus Pakistan, Ruanda und Marokko kein Visum erhalten haben, um an unserer letzten Episode hier in Deutschland teilzunehmen. Die Abschottung Europas und die verschärfte Asylpolitik behindern unsere Arbeit, die wir als global und multikulturell verstehen. Das ärgert mich gerade sehr.

Was wünschst Du Dir für Deine berufliche Zukunft?

Achje, mit 57 Jahren gehöre ich zu den alten weißen Männern, von denen es eigentlich genug gibt auf dieser Welt. Aber um ehrlich zu sein, habe ich noch ganz viele Ideen und solange ich Energie und Ressourcen habe, möchte ich nicht aufhören, diese umzusetzen. Gerade ist es eine Schweizer Komödie, die mich umtreibt und ich freue mich auf das nächste DREHBUCH.lab im Herbst, um mit viel Freude und Energie diese Geschichte anzugehen.

 

CHRISTINE OTTO | GUNTHER ESCHKE

Dr. Christine Otto ist neu als Dozentin des DREHBUCH.lab. Seit mehr als 20 Jahren schreibt sie Drehbücher für ganz unterschiedliche Formate – von der Vorabend Weekly über CHARITÉ bis zum TATORT. Sie leitet Writers‘ Rooms, unterrichtet u.a. an der dffb sowie der Filmakademie Ludwigsburg und arbeitet als Dramaturgin. Gunther Eschke leitet das DREHBUCH.lab an der MSD bereits seit 2019. Außerdem arbeitet er als Dramaturg, Lektor und Development Producer u.a. für Real Film Berlin, Amazon und ProSiebenSat.1. Er unterrichtet an mehreren Filmhochschulen und ist Autor des Fachbuches BLEIBEN SIE DRAN! DRAMATURGIE VON TV-SERIEN (Herbert von Halem Verlag, 2018, 2. Auflage).

Warum ist es für Euch reizvoll, das DREHBUCH.lab zu leiten?

CO: Jeder Mensch kann Geschichten erzählen. Doch aus den wenigsten Geschichten werden Drehbücher. Es ist für mich ein inspirierender Prozess kreative Menschen dabei zu unterstützen, ihr Format zu finden, einzigartige Charaktere und spannende Plots zu entwickeln. Vielen meiner Studierenden ist es gelungen, Karrieren im Fernsehbereich zu starten. Ich freue mich immer, wenn ich ihre Namen im Vorspann lese.
GE: Das Besondere am Lab ist – wie der Name schon sagt – die Laborsituation. Das bedeutet konkret, dass alle Teilnehmenden genauso wie die Leitenden sämtliche Stoffe in allen Entwicklungsstadien lesen und Feedback geben. Daraus entsteht ein kollektives Kreativ-Erlebnis, das sehr produktiv ist. Weil jeder in der Gruppe eine individuelle Perspektive aufgrund seiner eigenen Lebenserfahrung, Vorlieben, Geschmack etc. mitbringt, ist der Einfluss auf die entstehenden Geschichten umfassend und vielfältig. Außerdem macht dieser Prozess sehr viel Spaß…

Was ist für Euch jeweils das Wichtigste bei der Beratung und Begleitung von Autor:innen bei der Stoffentwicklung?

CO: Ich ermutige meine Studierenden stets ihre eigene Stimme zu finden, sich freizumachen von vermeintlichen Erfolgsrezepten. Ich nenne das künstlerische Integrität. Sich stets zu fragen: Warum will ich genau diese Geschichte erzählen? Was ist meine Botschaft an die Welt? Der Rest ist Handwerk und Talent.
GE: Da gehe ich ganz ähnlich vor. So etwas wie „Reißbrett-Dramaturgie“ finde ich eher einschränkend als bereichernd. Trotzdem ist die Beherrschung des Handwerks natürlich wichtig. Und weil erfahrungsgemäß jeder Lab-Teilnehmende unterschiedlich vorgebildet ist, versuchen wir mit kurzen theoretischen Einheiten alle möglichst auf den gleichen Stand zu bringen. Dadurch können sich die Ideen und Talente noch besser entfalten.

Im Lab geht es um Einzelstücke. Ihr seid beide auch Serienexperte/in und es gab und gibt den Serienboom. Warum sollte man heute überhaupt abgeschlossene Einzelfilme entwickeln?

GE: Der Serien-Boom schwächt sich allmählich ab. Die deutschen Abteilungen der großen Streamer produzieren verstärkt auch Spielfilme, meistens mit klarer Genre-Ausrichtung. Und das Programm der Öffentlich-Rechtlichen ist bekanntlich gespickt mit Einzelstücken, vom Kinomarkt ganz zu schweigen. Gerade Newcomer und Quereinsteiger im Drehbuch-Bereich haben hier wahrscheinlich größere Chancen als bei der Serienproduktion – vom Arthouse-Stoff bis zum ZDF-Herzkino.
CO: Ich halte es für unabdingbar, sich vor der Schaffung eines komplexen Serien-Universums an einem Einzelstück ausprobiert zu haben. Zudem ermöglicht dieses Format eine tiefgründige Auseinandersetzung mit genau einem Thema. Und dazu kommt noch eine recht simple Erkenntnis: Nicht jede Geschichte hat serielles Potential. Viele Geschichten, gerade die, die sehr persönliche Inhalte oder gesellschaftlich aktuelle Probleme aufgreifen, entfalten ihre emotionale Wirkung im Einzelstück.

Auch, wenn Christine neu dabei ist: Ihr kennt Euch lange und gut. Gunther, beschreib einmal Christine. Christine, beschreib einmal Gunther. Was zeichnet den jeweils anderen aus?

GE: Christine kann toll kommunizieren. Sie „klammert“ sich nie an akademische Vorgaben, sondern erkennt schnell das individuelle Potential der Menschen in ihrer Umgebung. Während sie als Autorin das Schöpferische aus eigener Anschauung besonders gut kennt, habe ich als Dramaturg einen etwas anderen Fokus. Diese beiden Perspektiven ergänzen sich prima.
CO: Unsere Branche ist von einer gewissen Grundnervosität beherrscht. Gunther dagegen ist ein Fels in der Brandung. Gelassen strahlt er eine natürliche Ruhe aus, er kennt sein Fachgebiet in- und auswendig. Er hört aufmerksam zu, seine Vorschläge sind stets konstruktiv und wertschätzend. Es hat Spaß gemacht, das Lab gemeinsam mit ihm zu entwickeln und die Unterrichtseinheiten zu verteilen. Wir legen beide großen Wert auf praktische Übungen und Austausch.

Was wäre für Euch der schönste Erfolg am Ende des Labs im Mai 2025?

CO: Gemeinsame Stoffentwicklung mit gleichgesinnten und leidenschaftlichen Menschen schafft ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Ich würde mich freuen, wenn Gunther und ich das herstellen könnten und die Teilnehmenden mit dem Gefühl das Lab verlassen, nicht nur ihre ureigenste Geschichte erzählt, sondern auch die anderen unterstützt zu haben.
GE: Erfahrungsgemäß sind die Geschwindigkeiten der Teilnehmenden bei der Stoffentwicklung unterschiedlich. Mit jedem Kreativen werden wir nach jedem Lab-Wochenende individuelle Zwischenziele verabreden, damit jeder sein eigenes Tempo gehen kann. Ziel ist, am Ende einen Text vorlegen zu können, mit dem man auch in die Akquise gehen könnte. Und natürlich gelernt zu haben, produktives, fachmännisches und wertschätzendes Feedback zu geben.