Dozent:innen und Absolvent:innen stellen sich vor

Autor(in): 
Master School Drehbuch

JOHANNA FALTINAT | LETÍCIA MILANO

Das Büro für vielfältiges Erzählen wurde 2019 von Letícia Milano und Johanna Faltinat gegründet. Sie bieten Workshops und dramaturgische Beratung für Kreative nach dem von ihnen entwickelten Modell DAS BEGEHREN DER ANDEREN* an. Ziel ist es, ein vielfältiges Erzählen jenseits von Stereotypen zu vermitteln.
Letícia Milano schreibt und entwickelt Serien, Filme und Hörspiele, aktuell die Serie DER RISS, gefördert durch die Filmförderung MV. Johanna Faltinat arbeitet seit 2014 als freie Dramaturgin und ist Vorstandsmitglied im Förderverein Deutscher Kinderfilm e.V.

Wie habt Ihr Euch kennengelernt und wie kam es zum Büro für vielfältiges Erzählen?

Kennengelernt haben wir uns 2016 bei der Akademie für Kindermedien. Schon damals haben wir einen Dialog miteinander angefangen. Zuallererst über Feminismus, Mädchen- und Frauenfiguren.
Diesen Dialog haben wir ein paar Jahren locker weiterverfolgt und auf weitere Themen von Diversität, Antidiskriminierung und Inklusion ausgeweitet. 2019 haben wir dann das Büro gegründet, weil wir gemerkt haben, dass es eine Professionalisierung in der Branche zu diesem Themenfeld braucht.

Ihr arbeitet bevorzugt gemeinsam. Wie gestaltet Ihr Workshops und dramaturgische Beratungen zu zweit?

Im Dialog. Der Dialog ist für uns Methode. Wir sind ganz unterschiedlich. Wir haben einen anderen kulturellen Background, gehören einer anderen Generation an, gesundheitlich, sexuell, geschlechtlich unterscheiden wir uns ebenfalls voneinander. Wir würdigen und feiern diese Unterschiede. Und wir binden sie in unsere Expertise ein. In den Workshops können wir so eine Vielzahl an Perspektiven bei Fragen und Unsicherheiten anbieten. In der dramaturgischen Beratung sehen wir so mehr Gefahren und Potentiale. Sogar die Fragen dieses Interviews beantworten wir gemeinsam im Dialog.

In der Film- und TV-Branche bemühen sich seit einigen Jahren viele Menschen um Diversität. Gibt es typische blinde Flecken, auf die Ihr dabei immer wieder stoßt?

Definitiv. Eines davon ist dieser Ausdruck. Wir sprechen lieber von „toten Winkeln“. Gegen tote Winkel können wir alle etwas machen: Der Schulterblick hilft uns, Dinge bewusst wahrzunehmen, die sonst nicht in unserem Blickfeld stattfinden.
Tote Winkel haben mit unseren Unconscious Bias zu tun, unseren unbewussten Vorurteilen. Dafür können wir nichts, denn wir alle sind in einer diskriminierenden Gesellschaft geboren und aufgewachsen. Aber als Kreative und Medienschaffende tragen wir Verantwortung für den Schulterblick, für das Erschaffen neuer Bilder und Erzählungen.

Auf welcher Grundidee basiert Euer Modell DAS BEGEHREN DER ANDEREN*?

Im Herbst 2019 stießen wir auf die Arbeit der Pädagogin und Wissenschaftlerin Mai-Anh Boger. Sie hat untersucht, warum Gruppen, die sich gegen Diskriminierung und für Inklusion engagieren, oft nicht zusammenarbeiten können, obwohl sie alle das Gleiche wollen. Ihr „Trilemma der Inklusion“ wurde eine wichtige Inspiration für uns. Im Dialog mit Mai-Anh Boger über ihr Werk haben wir daraus ein dramaturgisches System kreiert – das Modell DAS BEGEHREN DER ANDEREN* – für das Entwickeln und Erzählen von Figuren aus marginalisierten Gruppen. Die Aspekte, die das Modell vorlegt, sind von großer Relevanz für eine authentische Erzählung dieser Figuren und deren Handlungen.

Habt Ihr einen ultimativen Tipp für Kreative, der dabei hilft, möglichst vielfältig zu erzählen?

Das Unbequeme an diesem Thema ist, dass es unmittelbar mit uns zu tun hat. Wir müssen uns und unsere Privilegien reflektieren. Wir müssen unsere Perspektive erweitern. Wir müssen aufpassen, dass wir alles, was wir schreiben, mit Absicht tun. Das klingt logisch, aber wenn wir Beratungen machen, passiert es oft, dass die Autor:innen uns erstaunt anschauen, weil ihnen nicht bewusst war, was sie da für Bilder reproduzieren.

Was wünscht Ihr Euch selbst für Eure berufliche Zukunft?

L: Ich wünsche mir, dass der Widerstand zum Thema abgebaut wird, das macht das Ganze lustvoller. Und mehr Zeit für das eigene vielfältige Erzählen als Autorin zu haben!
J: Ich wünsche mir für die Zukunft, dass solche dialogischen Arbeitsbeziehungen wie mit Letícia selbstverständlich werden. Und, dass wir früher in die Entwicklung von Stoffen einbezogen werden, um uns vor allem auf die Potentiale zu konzentrieren.

 

THOMAS KORNMAIER

Thomas Kornmaier absolvierte 2014 die Ausbildung zur/m Autor:in für Film & TV an der MSD und arbeitet seither als freiberuflicher Autor (u.a. Stand-Up für Comedy Central, ProSieben und eigene Bühnenshows, sowie Audio-Serien für Audible, Fyeo und Storytel). Seine neueste NDR Mystery-Hörspielserie DREAMLAB (mit Rhea Schmid) hält sich seit Dezember 22 in den podwatch-Charts. Seit 2021 entwickelt er KI-gestützte Story Development Tools und berät Produktionsfirmen und Autor:innen zum Einsatz von KI in der Stoffentwicklung. Als Speaker zum Thema „Storytelling & KI“ ist er Gast der re:publica 2023 und am Stanford Human-Centered AI Institute.

Erzähl uns, wie Du zum Schreiben und zur Komik gekommen bist?

MONKEY ISLAND und NIGHTMARES & DREAMSCAPES von King. Durch die beiden hab ich mit 13 begonnen Stories für Computerspiele, Sketche und Kurzgeschichten zu schreiben. Zehn Jahre später hab ich über mein Studium an der HU (Medienwissenschaften) das Drehbuchschreiben entdeckt und bin auf die Ausbildung an der MSD aufmerksam geworden. Nach der MSD wollte ich herausfinden, ob meine Schwarzen Komödien überhaupt lustig sind und hab angefangen, Ideen auf Stand Up Bühnen zu testen. Das funktionierte irgendwann so gut, dass ich Anfragen für Moderationen, TV-Auftritte und schließlich die ersten Gigs als Comedy-Autor bekam.

Welche Fallstricke gibt es beim Entwickeln von Comedy-Texten?

Humor kann manchmal etwas sehr Persönliches sein, d.h. nicht alles, was man lustig findet, funktioniert direkt vor Publikum oder in einem Skript. Timing & Wording entscheiden, ob ein Joke von anderen verstanden werden kann oder nicht. Braucht man zu lange für die Prämisse: langweilig. Ist die Pointe unklar: unlustig. Live-Stand-Up verzeiht einem das manchmal, weil man viel mit Attitüde wettmachen kann und die Zuschauer meist gut eingepegelt sind (stimmungs- und alkoholtechnisch).

Du bist vielseitig unterwegs. Mit welchem Genre oder Format beschäftigst Du Dich zurzeit am liebsten und warum?

Zurzeit arbeite ich mit meiner Schreibpartnerin Rhea Schmid an einem Science-Fiction-Stoff (und Herzensprojekt), das für den U.S. Markt entwickelt wird. Daneben schreibe ich Krimis (weil man damit Geld verdienen kann) und experimentiere mit neuen Erzählformen im Bereich Audio Fiction und interaktivem Storytelling für Web/AR/KI-gestützte Charaktere.

Worauf hat Dich die Ausbildung an der Master School Drehbuch gut vorbereitet? Wovon warst Du überrascht?

Gut vorbereitet hat mich das dramaturgische Know-How und der analytische Blick aufs Geschichtenerzählen, Christian Eiserts Comedy-Workshop und die Ansage einer Dozentin, dass man an mehreren Projekten gleichzeitig arbeiten sollte. Überrascht war ich davon, wie wenig mir der Einfluss von Quoten, Sendeplatz-Bedingungen und Umfragewerten bewusst war, und wie man entsprechende Pitchpapers schreibt.

Hast Du einen ultimativen Tipp für andere Absolvent:innen zum Weiterkommen in der Branche?

1. Networking. Man weiß nie, wer gerade nach genau dem Stoff sucht, den man in der Mangel hat. 2. KI verstehen. Viele unterschätzen, wie sehr sich die Branche und unsere Arbeit als Autor:innen verändern wird. Wer weiß, wo die Grenzen und Möglichkeiten von KI liegen, hat den Vorteil, zu erkennen, wann man sie effektiv einsetzen kann.

Was wünschst Du Dir selbst für Deine berufliche Zukunft?

Ein paar Ideen für schrille Audio-Serien liegen hier, von denen ich nicht weiß, wem ich sie pitchen soll. :) So etwas einfach selbst produzieren zu können, wäre großartig. Außerdem hoffe ich, dass wir als Autor:innen im Zuge der KI-Transformation an Stellenwert gewinnen, indem wir uns als wichtigen „human factor“ bei der Entwicklung von Geschichten in neuen Formaten, Arbeits- und Erzählweisen einbringen.